066 by Die Spiegelwelt

066 by Die Spiegelwelt

Autor:Die Spiegelwelt [Spiegelwelt, Die]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-11-21T17:54:12+00:00


Frank Porters Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt. Er stand breitbeinig in der Mitte des Ganges, stemmte die Handflächen gegen die Decke und versuchte unter Aufbietung aller Kraft, den langsam niedersinkenden Tod aufzuhalten. Sein Gesicht war schweißüberströmt.

Die Muskeln an Hals und Rücken traten vor Anstrengung sichtlich hervor.

Aber die Decke senkte sich trotzdem weiter. Langsam, vielleicht einen Zentimeter in der Minute, vielleicht weniger, aber unbarmherzig.

»Ich – ich schaffe es nicht«, stöhnte er. Seine Stimme war vor Anstrengung verzerrt und kaum verständlich. »Sie müssen mir … helfen.«

Cramer erwachte aus seiner Erstarrung. Er fluchte wütend, riß sich das Jackett vom Leib und baute sich neben dem jungen Hünen auf.

Seine ausgestreckten Fingerspitzen berührten kaum die Decke.

Porter schnaufte, ließ die Arme sinken und trat keuchend zurück.

»Sinnlos. So halten wir sie nie auf. Sie können aufhören, Jeb.«

Cramer knurrte, stellte sich auf die Zehenspitzen und preßte die Hände gegen die silberne Decke. Über ihm schien ein kopfstehendes Spiegelbild die Geste zu erwidern.

»Hören Sie auf«, sagte Frank noch einmal. »Es muß einen anderen Weg geben.«

Cramer ließ wütend die Arme sinken. »Wissen Sie einen?«

»Natürlich nicht. Aber wir helfen uns nicht, wenn wir unsere Kräf-te vergeuden.«

Cramer erwiderte Franks Blick zornig, bückte sich dann und hob seine Jacke auf. »Vielleicht haben Sie einen Sesam-öffne-dich-Spruch oder etwas Ähnliches auf Lager«, sagte er halblaut.

»Jeb! Bitte …« Mary-Lou eilte zu ihrem Mann hinüber und versuchte, ihre Hand auf seine Schulter zu legen. Cramer streifte sie wütend ab. »Ihr beiden scheint euch ja prächtig angefreundet zu haben«, sagte er aggressiv.

Zwischen Franks Augen erschien eine steile Falte.

»Sie werden unsachlich, Mister Cramer«, sagte er betont freundlich. »Ihre Frau hat mir zweimal das Leben gerettet. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt auch in einem dieser verdammten Spiegel gefangen. Sie übrigens auch noch.«

Cramer schwieg eine Weile. »Sie haben recht«, sagte er dann. »Es

… es tut mir leid. Ich bin nervös.«

»Das sind wir alle«, gab Frank kalt zurück. »Aber das ist kein Grund, den wilden Mann zu spielen.«

»Bitte, fangt nicht jetzt an, euch zu streiten«, sagte Mary-Lou.

»Überlegt lieber, wie wir hier herauskommen.«

»Wahrscheinlich gar nicht«, sagte Cramer dumpf. »Die Falle ist zu-geschnappt. Und wir sind wie blinde Schafe hineingerannt.«

»Ich hätte diesem Ulthar den Schädel einschlagen sollen, als ich ihm gegenüberstand«, grollte Frank.

»Sie haben es versucht, oder?« Mary-Lou lächelte flüchtig, als sie Franks betroffenes Gesicht sah. »Außerdem glaube ich nicht, daß Ulthar für diese Falle verantwortlich ist.«

»Wie meinst du das?« fragte Jebediah.

Mary-Lou zuckte hilflos mit den Achseln. »Ich weiß, es … es hört sich verrückt an, aber …«

»Das macht nichts. Die ganze Sache ist verrückt. Reden Sie«, drängte Frank.

»Vorhin«, begann Mary-Lou, »als sie … den Spiegel zerschlugen, da … da hatte ich den Eindruck, als ob der ganze Raum sich vor Schmerzen krümmte.«

»Du meinst, diese Lichteffekte, das Beben …«

Mary-Lou nickte. »Ja. Ich habe mir den Spiegel angesehen, den Frank zertrümmert hat. Er … er sah aus wie eine Wunde.«

»Moment einmal.« Jebediah sah seine Frau verdutzt an. »Du willst damit ausdrücken, daß dieses ganze verdammte Labyrinth lebt?«

Mary-Lou schüttelte den Kopf. »Ich will gar nichts ausdrücken. Ich hatte nur den verrückten Gedanken, daß dieses Ding sich … ge-wehrt hat, wenn du so willst.



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